Schmerztherapie nach Liebscher&Bracht Teil 1

Skelettmodell LNB

 “…: Nahezu jeden Schmerzzustand reduzieren wir innerhalb einer halben Stunde um 70 bis 100 Prozent. Das gelingt uns bei über 90 Prozent der Schmerzpatienten.”
Solche und ähnliche Sätze, die durch die Medien kursieren, haben mich neugierig gemacht. Und so nahm ich Anfang des Jahres an einem Vortrag von Roland Liebscher-Bracht im Hotel Steigenberger teil. Nach diesem Vortrag, auf dem mehr als 200 Teilnehmer waren, wollte ich erst recht wissen, ob das, was da präsentiert wurde, wirklich funktioniert – und auch ob man es tatsächlich in 4 Tagen lernen kann. Die Kombination aus nervlich relevanten Punkten und Dehnübungen erschien mir auf jeden Fall sinnvoll.
Und so habe ich mich für seine Ausbildung angemeldet, obwohl eigentlich alles außer meiner Neugier dagegen sprach: dass die Methode mit schmerzhaftem Druck arbeitet, der Preis von 3.000.- € für 4 Tage Unterricht (!), das hohe Preisniveau, das „seine“ Behandler von ihren Patienten fordern sollen, die Abwertung fast aller anderen Behandlungsmethoden und die sektenähnliche Organisationsform.
Der Aufbau dieser Organisation ist spannend. Es gibt nur diesen 4tägigen Kurs, den man so oft man will „kostenlos“ wiederholen darf, wenn man Mitglied wird und dafür 70.- € im Monat bezahlt. Dadurch stehen jede Menge kostenloser Assistenten zur Verfügung. Diejenigen, die zum ersten Mal wiederholen, dürfen nur in ihrer eigenen Gruppe üben; diejenigen, die schon öfter dabei waren, dürfen den neuen Teilnehmern assistieren.
Das Schmerztherapie-Seminar hatte 60 Teilnehmer und bestand zum großen Teil aus Unterricht zum Auffinden der Osteopressurpunkte und dem Üben der „Engpassdehnungen“. Es ging alles ein bisschen schnell, aber grundsätzlich war es didaktisch ganz gut. Die Punkte wurden in ein Skript eingezeichnet, dann auf einem Knochenmodell angemalt und schließlich an Übungspartnern geübt. Irritierend – aber auch hochinteressant – fand ich die Einlagen, in denen in gehirnwäscheähnlicher Weise die Teilnehmer motiviert wurden in den Verband einzutreten. Die Argumente reichten vom „ihr dürft wiederholen so oft ihr wollt“ über Elitedenken („wir sind die Besten“) und über die Aussicht großartiger Einkünfte („mit unserer medialen Unterstützung werden euch die Patienten die Tür einrennen“) bis hin zur Aussage:  „Jetzt hast du doch schon 3.000.- € investiert, da sind doch 70.- € im Monat ein Pappenstiel, vor allem wenn du pro Stunde 120.- € und mehr verdienen kannst.“ Ich schätze, dass ungefähr 40 bis 50 Teilnehmer in den Verband eingetreten sind. Mitglied zu sein beinhaltet auch die Verpflichtung genau nach den Vorgaben des „Meisters“ zu arbeiten. Eigene Ideen sind eher unerwünscht. Nun ja, ich verdiene auch gerne Geld, aber diese Art von monetärem Denken ist mir doch immer fremd geblieben und nach genauen Vorgaben zu arbeiten war noch nie mein Ding.
Bei aller Kritik und allen Vorbehalten: ich habe es nicht bereut. Die Grundthese dieses Behandlungsansatzes ist, dass die meisten Schmerzen durch muskulär-fasziale Fehlspannungen verursacht werden und die jeweils relevanten Osteopressurpunkte dem Gehirn „befehlen“ die Fehlspannung zu beheben und den Schmerz dadurch zu beseitigen.
Über die Beziehung von Schmerzen und neuronalen Abläufen gibt es jede Menge komplizierter Theorien. Liebscher-Bracht hat diese Beziehung auf das systematische Drücken von schmerzrelevanten Punkten heruntergebrochen – und es funktioniert in vielen Fällen. Das ist der erste Teil der Behandlung. Patienten erfahren oft schon nach einer Behandlung erstaunliche Schmerzreduktion. Damit jedoch dauerhaftere Ergebnisse erzielt werden, braucht es eine Selbstbehandlung, die sogenannten „Engpassdehnungen“, von denen die meisten auf Youtube veröffentlicht sind (einfach Liebscher&Bracht bei Youtube eingeben). Wenn es dem Behandler gelingt die Patienten zur wochenlangen Ausübung dieser oft recht schmerzhaften Dehnübungen zu motivieren, gibt es häufig nachhaltige Erfolge.
Ich denke meine ambivalente Haltung gegenüber dieser Therapieform ist deutlich geworden.
In meinem nächsten Blog-Beitrag werde ich berichten, wie die vermittelten Inhalte dieses Seminars Eingang in meine tägliche Behandlungspraxis gefunden haben.

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